Goodwood Revival 2013

Goodwood Revival 2013: "A magical step back in time."

Seit 5 Jahren begebe ich mich auf die magische Zeitreise nach Chichester, West Sussex, nicht weit von Portsmouth in die Ländereien von Lord March an die englischen Südküste. Eine Zeitreise zurück in die glorreiche Vergangenheit des Motorsports der 50ger und 60ger Jahre. Realität gewordene Fiktion. Das Goodwood Revival.

Die dort vorzufindende einzigartige Atmosphäre hat meine latent verborgene Begeisterung für den historischen Motorsport erneut entfacht. Was daraus geworden ist, muss ich an dieser Stelle nicht sagen. „Baby Doll“ blieb allerdings zu Hause. Wegen der schlechten Wetterprognose zog ich vor, konventionell anzureisen und sollte recht behalten.

 

Sandra, die Eigentümerin von Woodstock House, meiner langjährigen Unterkunft mit „Rosamunde Pilcher“ Ambiente, ca. eine Meile zur Rennstrecke , sowie die anderen Stammgäste erwarteten mich schon. Zu meiner Überraschung waren die Räumlichkeiten auch mit meinen besten Goodwood Bildern der Vorjahre dekoriert, die ich Sandra zur Verfügung gestellt hatte.

 

Beim Goodwood Revival trifft man die Protagonisten der goldenen Zeiten des Motorsports und deren Bewunderer. Es werden beinharte Rennen gefahren mit den berühmtesten und seltensten Autos und Motorrädern der glorreichen Tage, pilotiert von den Idolen vergangener Zeiten.

Sir Stirling Moss, John Surtees, Dan Gurney, Sir Jacky Stewart, Brian Redman, Tony Brooks, Derek Bell, Martin Brundle, Jackie Ickx, Jim Redman, Giacomo Agostini, Jean Alesi, Jochen Maas, um nur einige zu nennen. Aber auch Nick Mason, der Drummer von Pink Floyd und Ronan Atkinson (alias Mr. Bean), beide Besitzer respektabler Autosammlungen und erklärte Oldtimer-Fans, gesellen sich hier zum „Stelldichein“ und greifen beherzt ins Lenkrad. Die guten alten Zeiten leben weiter und hier sind sie präsent, und das mit Stil.

Es geht über drei Tage vor einer Kulisse von mehr als 150.000 Begeisterten, die in historischer Kleidung erscheinen. Aber auch wir Fotografen sind Teil der Veranstaltung und sind höflich gebeten, uns an die Kleiderordnung zu halten.

Das Revival ist ein Mekka für Nostalgiker, Verkleidungskünstler, Oldtimer-Fans, Fotografen und Historiker. Aber nicht nur für die mit „Benzin im Blut“. Auch das Rahmenprogramm kann sich sehen lassen. Denn im Innern der Rennstrecke befindet sich Goodwood Airfield, ein historischer Fluplatz aus dem zweiten Weltkrieg mit Grasspiste. Hier trifft sich die etwas andere Fraktion zu einem Concours dÉlegance für Flugzeuge bis zum Baujahr 1966. Es ist ein Fest für die Sinne mit Gänsehaut pur, wenn die Autos auf der Rennstrecke von Lancaster Bombern, Spitfire-, Hurricane- und Me 109- Jägern des zweiten Weltkrieges im Tiefflug eskortiert werden. Ein „englisch“ entspannter Umgang mit der nicht immer so glorreichen Vergangenheit.

Beim Goodwood Revival kann man abseits vom Motorsport in hunderten um die Rennstrecke angesiedelten Geschäften auch die guten alten Dinge entdecken und kaufen, die es glücklicherweise immer noch gibt und die die vergangenen Zeiten so unvergesslich machen. Und für die Anspruchsvollen bietet die Bonhams Versteigerung ein willkommene Gelegenheit auch einen passenden Klassiker – vielleicht für das Rennen im nächsten Jahr - zu ersteigern. Raus aus dem Einerlei, der konturlosen Gleichmacherei und dem Mainstream unserer Zeit. Hier ist die Welt noch in Ordnung, die Rollen sind klar verteilt und Authentizität ist angesagt. Männer sind noch Männer und Frauen noch Frauen. Und keiner beklagt sich aufgeregt darüber. Einvernehmen und Begeisterung auf der ganze Linie, Pettycoat und World War II Uniform lassen grüßen!

 

Schon der Besuch der Parkplätze rund um die Rennstrecke lässt das Autofahrerherz höher schlagen. Was einem hier auf den „pre 66“ Parkplätzen so begegnet ist durch keine der vielen Oldtimeraustellungen zu toppen. Sogar Panzer mit Staßenzulassung, die neben historischen Jaguar D-Types, Aston Martin und Bentleys stehen, sind keine Seltenheit. Aber auch die vielen von ihren Besitzern liebevoll umsorgten kleinen Sportwagen für „poor boy`s racing“ mit ursprünglich sympatischer Patina geben ihr Bestes.

 

Goodwood Racing Circuit geht zurück auf das RAF Westhampnett Airfield, das während des zweiten Weltkrieges den englischen Abfangjägern und Bombern als Basis der Battle of Britain diente. Es war der 9te Duke of Richmond and Gordon, bekannt als Earl of March, renommierter Rennfahrer und Konstrukteur, der angeregt von seinem erst kürzlich verstorbenen Freund Tony Gaze (australischer Rennfahrer und hochdekorierter Kampfflieger der RAF während des zweiten Weltkrieges) die den Flugplatz umgebenden Versorgungsstraßen im Jahr 1948 zu einer Rennstrecke ausbaute. Duke und Duchess of Richmond and Gordon höchstpersönlich eröffneten noch in diesem Jahr die Rennstrecke mit einer Fahrt in ihrem standesgemäßen Sports Saloon, einem Bristol 400. Für die englischen Motorsportler ein denkwürdiges Ereignis, nach dem die traditionelle Rennstrecke von Brooklands in den Wirren des zweiten Weltkrieges ihre Tore schließen musste.

 

Das große Interesse am Motorsport führte am 18th September 1948 zur Rekordbeteiligung von 85 Rennfahrern , die vor einer Kulisse von 15.000 Zuschauern das erste professionell organisierte Autorennen im United Kingdom nach dem Krieg besuchten. Goodwood war fortan Austragungsort einer Vielzahl von nationalen und internationalen Rennen. Es wurde bekannt für die „GloverTrophy“ (ein nicht zur Weltmeisterschaft zählendes Formel 1 Rennen), das Goodwood Nine Hours Sports Cars Endurance Race (1952, 1953 und 1955), und das Tourist Trophy Sports Car Race (1958-1964). Goodwood war die Heimat der berühmtesten Rennfahrer der Zeit , wie Mike Hawthorn und Graham Hill, die hier ihre ersten Rennen in Monoposti fuhren. Roger Penske aus den USA wurde 1963 in Goodwood begrüßt und Jim Clark und Jack Sears waren gern gesehene Gäste. Goodwood steht allerdings auch als Synonym für das Ende der internationale Karriere von Sir Sterling Moss. Es war der schwere Unfall im Jahr 1962 in St. Mary`s Corner, der seine Karriere als professioneller Rennfahrer besiegelte.

 

Das letzte Rennen auf dem Goodwood Racing Circuit fand im Jahr 1966 statt, da sich die Eigner weigerten, die Rennstrecke den Anforderungen des immer schneller werdenden Rennsports durch den Bau von Sicherheitsmassnahmen anzupassen. Ein Club Meeting, organisiert vom British Automobile Racing Club, am 2. Juli 1966 besiegelte vorerst das Ende.

 

Es war der Nachfahre (Enkel) des damaligen Initiators, Charles Henry Gordon Lennox, the 10th Duke of Richmond, Lennox, Gordon and Aubigny/Lord March ( u.a. Präsident des British Automobile Racing Club), der die Rennstrecke im Jahr 1998 genau 50 Jahre nach ihrer Gründung in ihren historischen Zustand zurückversetzte und mit dem Goodwood Revival wieder zum Leben erweckte.

Das erste Revival wurde im September 1998 wieder von Lord March mit einer Fahrt in dem legendären Bristol 400 Sports Saloon eröffnet, der bereits seinem Großvater zur Einweihung der Rennstrecke im Jahr 1948 diente. Zuvor hatte er bereits im Jahr 1993 mir großem Erfolg das Goodwood Festival of Speed, ein über die Grenzen bekanntes Motorsport Festival für zeitgenössische Rennautos um Goodwood House ins Leben gerufen. Erwähnenswert sind auch das Goodwood Hypodrome, Austragungsort nicht weniger stilgerechter Pferderennen und der Goodwood Aero Club.

 

Für die Teilnehmer kommt eine Einladung als Fahrer und die Zulassung eines historischen Fahrzeuges einem Ritterschlag gleich. Es wird bevorzugt zugelassen, wer bzw. was seinerzeit in Goodwood gefahren ist.

 

Das Revival hat sich der großen Tradition des Rennsports verschrieben und ehrt jedes Jahr deren bedeutendste Persönlichkeiten. Sir Stirling Moss (2010), Juan Manuel Fangio (2011), im Jahr 2012 den mittlerweile 80jährigen legendären Dan Gurney (amerikanischer Formel 1 Rennfahrer und Konstrukteur).

Dabei werden Kosten und Mühe nicht gescheut, deren in diversen Sammlungen über die Welt verstreute automobilen Weggefährten, sei es aus Kalifornien oder Japan, ebenfalls nach Goodwood zu bringen und in atemberaubenden Rennen und Sonderläufen zu präsentieren.

 

Höhepunkt des diesjährigen Revival war ein „Tribute für Jim Clark“ , der vor 50 Jahren seine erste Formel 1 Weltmeisterschaft gewann. Nahezu alle Autos, die seine Rennkarriere begleiteten wurden in einem Korso präsentiert, gefahren von Größen wie Sir Stirling Moss, Tony Brooks, John Surtees, Dario Franchitti, Sir Jacky Stewart und Kenny Bräck. Eindrucksvollste Autos waren für mich der Lotus 38/1, das erste Auto mit Mittelmotor, mit dem Jim Clark 1965 die Indy 500 gewann. Aber auch der Lotus 43 mit seinem BRM H16 Motor (16 Zylinder, 2 Kurbelwellen, 8 Nockenwellen und 64 Ventilen), vor allem sein infernalischer sound, hinterließ einen bleibenden Eindruck.

Ferner stand der legendäre Ford GT 40 im Mittelpunkt, der ebenfalls in diesem Jahr seinen fünfzigsten Geburtstag feiern durfte. Die Whitsun Trophy wurde dieses Jahr daher ausschließlich mit Ford GT 40 gefahren. Sieger waren, „the genious Adrian Newy“ mit co Driver Kenny Bräck (schwedischer Rennfahrer der Indy Serie, der 1999 die Indy 500 gewann). Aber auch die Le Mans Legende Henry Pescarolo, der insgesamt 33 mal an dem berühmten 24 Stunden Klassiker teilnahm und sogar 4 mal gewinnen konnte, war mit co Driver Robert Sarrailh zu bewundern.

Sogar wir Morgan Fahrer kamen nicht zu kurz. Malcom Paul und Rupert Richards mit ihren Morgan Plus 4 hielten für uns in der Fordwater Trophy (Rennen für Produktions GT`s der Jahre 1955 bis 1960) die Fahne hoch.

Nach einem äußerst spannenden Rennen mit vielen Positionswechseln musste Malcom Paul mit seinem Plus 4 allerdings dem äußerst beherzt fahrenden Max Girardo mit seinem Ferrari 250 GT Tour der France den dritten Platz überlassen. Sieger wurde David Smithies mit seinem teuflisch schnellen roten Austin Healy 100/6 vor Jochen Maass mit dem einem Mercedes 300 SL Gullwing.

Im Jahr zuvor war Morgan mit einer deutlich stärkeren Fraktion vertreten. Neben Keith Ahlers mit seinem berühmten Plus 4 Supersport und seinem SLR waren auch die zwei übrigen SLR`s von Simon Orebi Gann und John Emberson vertreten. Eine einmalige Gelegenheit diese legendären GT´s der 60ger Jahre vor einer historischen Kulisse abzulichten.

Das wohl beeindruckenste Rennen in diesem Jahr war das erst am späten Sonntag Nachmittag stattfindende RAC TT Celebration Race für GT`s der Jahre 1960 bis 1964. Ein einstunden Rennen mit Fahrerwechsel. Jean Alesi und Andrew Newall übernahmen nach einem Blitzstart mit dem außergewöhlich gestylten Ferrari 250 GTO/64 zunächst die Führung und eilten den nachfolgenden Cobras und Jaguars davon.

Nach der zweiten Rennhälfte überschlugen sich mit einsetzendem Regen die Ereignisse. Es kam zu einem show down zwischen Simon Hadfield und Wolfgang Friedrichs, die mit ihrem leistungsmäßig unterlegenen Aston Martin Project 212 durch das Feld nach vorne pflügten und Chris Harris, der mit Antony Reid einen bärenstarken Lister Jaguar pilotierte. Drei Runden vor Schluss konnte Hadfield das Kopf an Kopf Rennen mit dem Aston Martin für sich entscheiden.

Es war das erste RAC TT Revival Rennen, das ein Aston Martin gewinnen konnte. Und das im Jahr des 100 jährigen Bestehens dieser Marke. Als Ausdruck der Freude, aber auch als besondere Geste stoppte Hadfield dann den Aston Martin auf der Zielgeraden, sprang aus dem Auto und über den schützenden Erdwall um den dort sitzenden Rollstuhlfahrern die Hände zu schütteln. Racing with Style!

Das RAC TT Rennen bot auch ein Wiedersehen mit „Lew Spencer“, Namensgeber unserer grandiosen Baby Doll`s. Zu meiner Überraschung beim Gang durchs Fahrerlager konnte ich nämlich eine 1963 Cobra des seinerzeitigen Werksteams entdecken, die im Mai 1963 von Lew Spencer, Phil Hill und Ken Miles im 12 Stunden Rennen von Sebring auf den 11 Gesamtrang und 6. Ihrer Klasse gefahren wurde. Das Auto wurde in seiner späteren Karriere auch von Dan Gurney und Bob Holbert gefahren. Im RAC TT Race erreichte die Cobra mit den Fahrern Ludovic Caron und Nicolas Minassian den 19. Platz.

Aber man wagte in Goodwood in diesem Jahr auch einen Blick über den Tellerrand. Der 110te Geburtstag des erstmals 1903 ausgetragenen Radklassikers „Tour de France“ wurde gefeiert. Historisch anmutende Radrennfahrer begleitet von zeitgenössischen Versorgungs- und Servicewagen.

A real magical step back in time.

Ich freue mich schon auf`s nächste Jahr.

Keep Morganing Euer Günter

 

Autor/author: Günter Biener

Fotograf/photographer: Günter Biener